Geschichte Kirchrode und Gemeinde "Zu den heiligen Engeln"

Mit "Roden" und mit "Biscopesrode" wird Kirchrode in alten Hildesheimer Urkunden erwähnt. Als zwischen 993 und 994 die Grenzen zwischen Engem und Ostfalen sowie zwischen den Bistümern Hildesheim und Minden festgelegt werden, wird im Gau Astfala der beurkundende Zeuge "Deddi de Rothun" genannt. Dieser urkundliche Hinweis auf Kirchrode ist jedoch nicht gesichert. Erneut wird der Ort als "Biscopesroden" im Fundationsbrief des Hildesheimer Michaelisklosters von 1022 erwähnt, mit dem Bischof Bernward (993-1022) seiner Stiftung u. a. Güter in Kirchrode übertrug. Im Rahmen der Kolonisationstätigkeit der Hildesheimer Bischöfe wurde Kirchrode vermutlich als Rodungsdorf in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts angelegt. Die Siedler erhielten hier nach Hägerrecht besondere Privilegien und Grundbesitz. Das bischöfliche Territorium wurde nach Norden mit der Anlage von Kirchrode, Bemerode und Wülferode gesichert. Im Zuge der kirchlichen Reichspolitik übertrug 1051 Kaiser Heinrich III. (1017-1056) Bischof Azelin von Hildesheim (1044-1054) die Grafschaftsrechte im Gau Astfala. Die Siedlungen des Gaues unterstanden bischöflicher Leitung.

Die St. Jakobus Kirche in Kirchrode wird 1259 in einer Urkunde der Grafen von Hallermund genannt; ein frühmittelalterlicher Kirchbau ist ebenso denkbar. Im Hildesheimer Archidiakonat Sarstedt gehörten dem Kirchspiel von St. Jakobus nach Norden 17 Siedlungen an. Während einige von ihnen wüst wurden und in Kirchrode aufgingen, wurden andere wie Bothfeld mit Buchholz "selbständige Kirchengemeinden". Die Patronatsrechte über St. Jakobus standen dem Hildesheimer Bischof zu. Erst Bischof Siegfried II. (1279-1310) tauschte sie 1296 gegen die Patronatsrechte der Kirche in Groß Freden mit dem Kloster Marienrode. Der urkundlichen Übertragung ging schon 1290 der inoffizielle Tausch der Patronatsrechte voraus. Den Hildesheimer Zisterziensern standen die Kirchröder Rechte bis 1806 zu, erst dann fielen sie an den Staat. Die Pfarrgeistlichen an St. Jakobus sind seit 1297 urkundlich nachweisbar.

Noch im 12. Jahrhundert konzentrierten sich die Hildesheimer Bischöfe auf die Missionierung und Erschließung des Hildesheimer Raumes und des südlichen und südöstlichen Sprengels. Der Aufstieg der Welfen zwang sie jedoch, auch im Norden ihren Besitz zwischen Braunschweig und Hannover zu sichern. Die Entwicklung des Hildesheimer Amtes Ruthe wurde hier durch die welfische Burg Koldingen behindert. Während des Lüneburger Erbfolgekrieges (1371-1388) mussten die Welfen 1380 auf die Burg Koldingen zugunsten Bischof Gerhards von Hildesheim (1365-1398) verzichten. Unter bischöflicher Leitung wurde daraufhin die links der Leine gelegene Burg Sitz des neu geschaffenen Hildesheimer Amtes Koldingen; Kirchrode wurde Vogtei. Die Vogtei Kirchrode umfasste die Gartengemeinden vor dem Aegidientor der Stadt Hannover, Kirchrode, Misburg und Wülferode. Die Hildesheimer Stiftsfehde (1519-1523) beendete die über 140 Jahre lang andauernde bischöfliche Regierung des Amtes Koldingen. Denn mit dem Quedlinburger Rezess von 1523 waren die Ämter Ruthe und Koldingen an Calenberg gefallen, die Herzog Erich I. (1495-1540) zu einem Amt zusammenfasste; Koldingen blieb Verwaltungssitz.

Der Patronatsinhaber von St. Jakobus, das Kloster Marienrode, stellte sich 1538 unter den Schutz Herzog Erichs von Calenberg. Während Herzog Erich und seine ihm nachfolgende lutherische Ehefrau Elisabeth II. von Calenberg (1540-1546) die katholische Religionszugehörigkeit Marienrodes dem Hildesheimer Bischof Valentin von Teutleben (1537-1551) garantiert hatten, wurde ungeachtet dessen 1548 an der Kirchroder Jakobus Kirche die Reformation eingeführt. Nur vorübergehend konnte hier wieder von 1549-1551 katholischer Gottesdienst gehalten werden. Im Jahre 1551 wurde die Pfarrstelle endgültig mit einem lutherischen Geistlichen besetzt und die evangelische Religionszugehörigkeit für St. Jakobus herzoglich bestimmt.

Während man den Koldinger Amtssitz im 16. Jahrhundert nach Lauenburg verlegte, gelangte Ruthe 1643 mit der Restitution des Großen Stiftes wieder unter Hildesheimer Leitung. Im Amt Koldingen bzw. Lauenburg wurde Kirchrode weiterhin von den Welfen regiert. Im Zuge der welfischen Erbteilungen wurde die Vogtei Kirchrode mit Misburg und Wülferode Bestandteil des Lüneburger Amtes Ilten. 1636 gelangte sie jedoch wieder an Calenberg und wurde Bestandteil des gleichnamigen Herzogtums.

Kirchrode war ein Bauerndorf, wo Landwirtschaft die Lebensgrundlage der dörflichen Bevölkerung sicherte. Die Nutztierhaltung auf den hiesigen Weiden war so bedeutend, dass Hannoversche Bürger hier Weiderecht beanspruchten. Bereits im 14. Jahrhundert war Hannover infolge des Lüneburger Erbfolgekrieges mit einer Landwehr gesichert worden. Nur an wenigen Stellen war sie für die Handelswege durchlässig. Ein Wachtturm wurde bei Kirchrode errichtet, von wo aus der Verkehr in und aus der Stadt Hannover kontrolliert wurde. Im 18. Jahrhundert verlor der Kirchröder Turm jedoch an militärischer Bedeutung und wurde abgebrochen.

Kirchrode stand während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) unter schwedischer Besatzung; 1641 verhungerten 260 Angehörige des Kirchspiels von St. Jakobus. Auch nach 1648 blieb die Bevölkerung notleidend, sodass im Jahre 1689 lediglich 261 Dorfbewohner hier ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten.

Seit der Residenznahme der Herzöge in Hannover 1636 wurde städtebaulich erweitert. Herzog Johann Friedrich (1665-1679) ließ 1679 "in den Sundern" bei Kirchrode den Tiergarten (111 ha) mit einem Fachwerkhaus für die Bedürfnisse des Hofes und einer Wohnung für den Jagdbeamten anlegen. Durch An- und Umbauten wurde das Fachwerkhaus 1799 mit Genehmigung König Georg III. (1760-1820) zum Wirtschaftshof erweitert. Das alte Forsthaus wurde 1904/1905 neu erbaut. Den Tiergarten legte man im großen Waldgebiet des Hainholzes an. Der Stadtwald, die Eilenriede, im Mittelalter ein Teilbereich des Nordwaldes, der die Kolonisation erschwerte und später für die Holzversorgung Hannovers bedeutend war, entwickelte sich zum Naherholungsgebiet der Großstadt. Die Errichtung der städtischen Ziegelei 1714 an der "breiten Wiese" veränderte die Wirtschaftssituation der Gemeinde kaum. Die Kirchröder Wege führten nicht zur Stadt Hannover, sondern zu den Siedlungen im Kirchspiel von St. Jakobus.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war in Hannover infolge der Industrialisierung das Bevölkerungsaufkommen durch Zuzug von Landbevölkerung gestiegen. Die Vorstadt und Ernst-August-Stadt legte man damals an, sodass städtische und ländliche Strukturen ineinander übergriffen. Die umliegenden ländlichen Siedlungen wurden nach Hannover eingemeindet. Mit dem Eisenbahnanschluss, dessen erste Hannoversche Strecke nach langen Verhandlungen 1843 eröffnet wurde, verlagerte sich das Schwergewicht der Stadtentwicklung in den Osten. An Kirchrode führte die Strecke Hannover-Lehrte entlang. Aufgrund seiner Lage zwischen Kronsberg, Tiergarten und Eilenriede begann sich Kirchrode allmählich zum Villenvorort Hannovers zu entwickeln; Industriebetriebe fehlten. Es wurden in den Villen vielmehr Fabrikanten wohnhaft, die in anderen Vororten Fabriken leiteten.

Wegen seiner zunehmenden städtischen Überprägung wurde Kirchrode 1907 nach Hannover eingemeindet. 1895 lebten hier 41 kath. Christen, die gemeinsam mit den Katholiken Kleefelds von der Pfarrei St. Elisabeth in Hannover betreut wurden. Als nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918) in Kirchrode Kleinsiedlungen und Kleingartenkolonien entstanden, stieg die Katholikenzahl an. Die Initiative zur Entwicklung einer eigenen katholischen Kirchengemeinde ging vom benachbarten Stadtteil Hannover-Kleefeld aus. Um 1900 war dort ein bürgerliches "Philosophenviertel", Ende der 20er Jahre die "Gartenstadt Kleefeld" und ein gewerblich genutztes Arbeitergebiet mit genossenschaftlichen Neubauten entstanden. Von St. Elisabeth aus wurden hier in der Kapelle des städtischen Kinderheimes an der Kirchröder Straße die Gottesdienste gefeiert, an denen auch die Kirchröder Katholiken teilnahmen. In den Jahren 1926 bis 1928 erbaute man in Hannover-Kleefeld die St. Antonius Kirche. Die seelsorgliche Betreuung übernahmen Franziskanerpatres der Thüringischen Ordensprovinz. Mit Kleefeld und Kirchrode wurden 1940 Bemerode und Wülferode dem Seelsorgebezirk von St. Antonius zugeordnet.

Während des Zweiten Weltkrieges (1939-1945) wurden in Bemerode ein polnisches Kriegsgefangenenlager und ein Kasernengelände für eine Nachrichteneinheit der deutschen Luftwaffe errichtet. Auf dem Gelände fanden in der Lagerkapelle Messfeiern durch die Franziskanerpatres statt. Nach Kriegsende wurde das militärische Areal zu einem britischen Kriegsgefangenenlager umgestaltet. Bevor man es 1947 auflöste, diente es als Unterkunft deutscher Arbeitskräfte bei den britischen Dienststellen und für entlassene deutsche Soldaten; bis 1966 kamen italienische und spanische Arbeitskräfte hinzu. Ein Barackenteil wurde von den Kriegsgefangenen als Gottesdienstraum notdürftig umgestaltet und später als Lagerkirche ausgebaut. Letztere wurde den Aposteln Petrus und Paulus geweiht. Die Seelsorge für die Kriegsgefangenen übernahmen zunächst ein evangelischer Pastor und ein Benediktinerpater, dann wieder die Kleefelder Franziskaner. Die "Lagerkirche" war Seelsorgemittelpunkt zahlreicher Heimatvertriebener und Flüchtlinge, die sich in Bemerode, Wülferode und Kirchrode niederließen. Sie orientierten sich jedoch zunächst weiterhin nach Kleefeld, von wo aus auch katholische Gottesdienste in der St. Jakobus Kirche in Kirchrode angeboten wurden. Durch Heimatvertriebene und Flüchtlinge war in der Nachkriegszeit die Gemeindemitgliederzahl in Kirchrode erneut gestiegen, sodass der Bau einer eigenen und größeren Kirche für die sich entwickelnde katholische Stadtrandgemeinde Hannovers notwendig wurde.

Mit Hilfe des Kirchbauvereines von St. Antonius konnten die Franziskanerpatres ein Baugrundstück am Hedwigsweg in Bemerode erwerben. Als nach dem Flächennutzungsplan der Stadt Hannover Mitte der 50er Jahre große Neubaugebiete in Kirchrode entstanden, entschied sich das Bischöfliche Generalvikariat in Hildesheim für den Bau eines katholischen Gotteshauses in Kirchrode und erwarb einen Bauplatz an der Böhmerwaldstraße. Die günstige Lage der Kirche ging allerdings später durch die Anlage der Schnellstraße B 65, die Bemerode und Kirchrode nun voneinander trennte, etwas verloren. So entstand an der Böhmerwaldstraße in den Jahren 1963 bis 1964 die Kirche "Zu den heiligen Engeln" (siehe: Gang durch die Kirche); ein Pfarrhaus mit Pfarrbüro im Osten sowie ein im Südwesten angebautes Pfarrheim, das 1998 erweitert wurde, vervollständigten den Gebäudekomplex.

Im Jahre 1964 schieden damit die Katholiken in Kirchrode, Bemerode und Wülferode aus der Pfarrgemeinde St. Antonius in Hannover-Kleefeld aus und bildeten eine eigene Kirchengemeinde; Pfarreistatus erhielt die Gemeinde 1970. Während man 1964 ca. 1980 Gemeindemitglieder betreute, zählte die Pfarrei 20 Jahre später bereits 2903 Katholiken. Insbesondere durch die neuen Wohngebiete "Emslandviertel" und "Spargelacker" stieg die Anzahl der Katholiken bis 1990 auf über 3400; zu einem weiteren Anstieg führte die Bebauung des Kronsberges im Zuge der Weltausstellung EXPO 2000. Mit derzeit (2008) knapp 5000 Katholiken zählt die Gemeinde "Zu den Heiligen Engeln" in Kirchrode zu den mittelgroßen Stadtrandgemeinden Hannovers.

Mehrere Senioren- und Pflegeheime liegen auf dem Gebiet der Pfarrgemeinde, außerdem das Kreiskrankenhaus Bethesda, das Landesbildungszentrum für Blinde und das einzige Deutsche Taubblindenzentrum. Das Katholische Vinzenzkrankenhaus mit angeschlossener Krankenpflegeschule, seit 1971 in Kirchrode, gehört zum Vinzenz-Verbund Hildesheim, einer Trägergesellschaft der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul. Im August 1994 wurde neben dem Krankenhaus in der Trägerschaft der Vinzentinerinnen ein Hospiz errichtet.

Statistik:

Kirche: Patrozinium Zu den Heiligen Engeln / Erbaut: 1963-1964
Baustil: Kirchenschiff als Zelt Gottes mit steilem, weit heruntergezogenem Dach.
Architekt: + Josef Bieling, Kassel
Konsekration: 30. Mai 1964 durch Bischof Heinrich Maria Janssen
Beachtenswert: Thronende Gottesmutter, Kreuzweg, Illustrierte Giebelfenster, Seiten- und Altarfenster "Brennender Dornbusch", Orgel (1987)
Kirchenbücher seit 1964 / Pfarrhaus: 1964 (saniert 2007) / Pfarrheim: 1964 (saniert und erweitert 1998)
Kapelle im Vinzenzkrankenhaus, Patron: Hl. Vinzenz von Paul / Erbaut: 1970-1971 / Konsekration: 8. Dezember 1971 durch Bischof Heinrich Maria Janssen
Orden: Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul
Caritative Einrichtungen: Vinzenzkrankenhaus Hannover gGmbH (Rechtsträger: Vinzenz-Verbund Hildesheim gGmbH), 30559 Hannover, Lange-Feld-Straße 31. Hospiz "Haus Luise" (Rechtsträger: Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Vinzenz von Paul), 30559 Hannover, Brakestraße 2d

Pfarrer / Pastöre:

1297 Volmar, 1349 Johannes de Gledinge rector ecclesiae in Roden, 1400 Cordt Kerkhere to dem Rode, 1410 Diderik Perner to Kerchroden, 1497 Heinrich Kolchagen, 1542 Dreiger, 1550 Berend Lange, danach Übertritt zur Reformation.

Ab 1928 Franziskanerpatres an St. Antonius in Kleefeld: 1947-1956 P. Amandus Drung OFM (Lagerseelsorger in Bemerode), 1956-1964 P. Hubert Gola OFM (Kaplan), 1952-1955 P. Sigbert Peters OFM (Kaplan), 1955-1960 P. Stanislaus Zenker OFM (Kaplan), 1960-1962 P. Joseph Skroch OFM (Kaplan).

Pfarrer der Pfarrei Heilige Engel:

  • 1964-1969 Erich Peschel
  • 1969-2007 Norbert Joachim
  • 2007-2017 Dr. Werner Kroh
  • 2017 - 2020 Thomas Berkefeld
  • seit Dr. Thomas Kellner

Gemeindereferentin:

  • seit 1990 Frau Dagmar Fromm-Brauner

Literaturhinweis:

siehe auch Handbuch für das Bistum Hildesheim, Band 2: Hannover, St. ClemensNr. 16; Nr. 65; Nr. 86; Nr. 111; Nr. 117; Nr. 141; Nr. 144; Nr. 152; Nr. 285; Nr. 384; Nr. 507; Nr. 508; Nr. 511; Nr. 531; Nr. 577; Nr. 777.